RUBRIK
#STÜCKWERK»Ich kann nicht singen!« – Vom Schicksal des Clowns
Dieser Artikel ist im Frühjahr 2016 in der Brandenburg-Ausgabe der Märkischen Allgemeinen Zeitung in der Rubrik »Blickpunkt Kirche« erschienen.
Hinweis: Die Rubrik „Blickpunkt Kirche“ bot Raum für kurze, zum Teil besinnliche Texte, die vor allem von Hauptamtlichen verschiedener christlicher Konfessionen verfasst wurden.
»Ich kann nicht singen!«Vom Schicksal des Clowns
Meine Zirkus-Karriere begann, als ich Pastor der Hofkirche wurde – gewissermaßen. Als ich dort anfing, hatte man dort bereits über zehn Jahre Erfahrung mit dem Kinder-mit-mach-Zirkus Hoppla. Und welche Gruppe könnte der Pastor anleiten, der sonst keine Ahnung hat? Es drängt sich ja irgendwie auf – die Clowns. So kam es, dass ich selbst einen Clown-Workshop besuchte. Dieses Seminar hat einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Nicht nur, dass ich mit dem Gefühl nachhause fuhr, zweieinhalb Tag ununterbrochen Tränen gelacht zu haben, ich habe auch gelernt, dass der Clown keine Rolle sondern eine Figur ist. Das Schicksal dieser Figur ist es, ihr Scheitern ungebremst ins Publikum tragen zu müssen. Um dieser Erfahrung auf die Spur zu kommen, gab uns unser Kursleiter folgende Anweisung: »Bildet Zweier-Gruppen; ihr habt zehn Minuten Zeit, ein Lied vorzubereiten, das ihr uns dann gemeinsam vorsingt!« Trotz der Vorbereitung ging es natürlich auch um Improvisation. Was sich dann ereignete, war maßgeblich an meinen Lachtränen beteiligt. Ich dachte, ich könnte nicht singen. Aber es geht noch viel schlimmer – und deshalb auch noch viel lustiger.
Was nützt es uns, das es Menschen gibt, die als Clowns auftreten und sich trauen, ihr Scheitern zur Schau zu stellen? Würde es dabei nur um Schadenfreude gehen, wäre es eher traurig als komisch. Wenn uns etwas misslingt, würden wir am liebsten im Boden versinken, dagegen bleibt der Clown gerade damit auf der Bühne präsent. Welche erstaunliche Kraft hat diese Figur des Clowns, dass sie Scham in Komik zu verwandeln vermag? Ich glaube, dass Clowns gemocht werden, weil es eine schmerzhafte und vertraute – und damit eben auch eine bedeutsame - Erfahrung für uns ist, wenn Sachen so richtig schiefgehen. Wenn wir dann als Publikum in eine Szene mit hineingenommen werden, die gerade davon handelt, werden wir im Augenblick des Lachens selbst Teil des Wunders, dass aus Peinlichkeit bedeutsame Komik entsteht. So etwas ist heilsam. Mir zeigt das »Schicksal des Clowns« in einer sympathischen Weise, dass das Stolpern zum Leben mit dazugehört. Er gibt ein Beispiel, dass man das Stolpern aushalten kann und muss. Vielleicht ruft er uns auch – quasi als Rückseite der Medaille – in Erinnerung, was wir selbst gut können und ohne Pannen schaffen. Es geht letztlich wohl um Selbstannahme.Thilo Maußer